Die Geschwister Pitt-Alexander und Tiara-Sophia Wibawa vom TDC Frauenfeld geben ihren Rücktritt vom Turniertanzsport. Gut zwei Wochen vor den Schweizer Latein-Meisterschaften in Baden kommt diese Botschaft der Titelverteidiger etwas überraschend, aber sie ist wohl überlegt. «Es liess sich einfach nicht mehr alles unter einen Hut bringen», fassen sie ihren Entscheid zusammen. «Wir müssen schweren Herzens akzeptieren, dass wir Tanzsport, so wie wir ihn verstehen, Beruf, Studium und Privatleben nicht mehr sinnvoll kombinieren können.»
Dieser Prozess habe lange gedauert, sei aber in den letzten Wochen immer mehr gereift, nun schmerze es. Der Tanzsport war für beide «das halbe Leben». Ob sie in Baden als Zuschauer dabei sein wollen oder können, müssten sie sich noch gut überlegen – die Emotionen sind spürbar… vielleicht braucht es noch etwas mehr Zeit, um diese Nähe akzeptieren zu können.
Die sportlich beste Zeit erlebten die beiden Rheintaler Geschwister im letzten Jahr, als sie nach vier Ehrenplätzen erstmals die Goldmedaille an den Schweizer Meisterschaften gewinnen konnten. Dieser späte November-Abend in Wallisellen bleibt ihnen für immer und ewig im Kopf und im Herzen, weil sie dort bestens vorbereitet waren, deshalb völlig unbelastet tanzen durften und sich vom Publikum getragen fühlten. Schon eine Woche später profitierten sie von diesem Schwung und dieser neuen Energie, erreichten bei ihrer vierten WM-Teilnahme erstmals die zweite Runde und verliessen Pforzheim schliesslich mit einem 40. Schlussrang (siehe Video).
Die Lust nach mehr internationalen Wettkämpfen und höheren Zielen wurde dadurch immer grösser, selbst eine Fokussierung auf den Tanzsport war in den Köpfen, sollte sich ein grosser Sponsor finden lassen. Doch es kam leider anders. Die Vorbereitung auf das World Games Qualifikationsturnier Ende Januar 2022 lief hervorragend. «Wir hatten eine Superphase», blickt Pitt zurück, der eines Abends in seinem Fitnesstraining eine zusätzliche Einheit anhängte. Weil er sich deswegen für den nächsten Termin verspätete, musste er zum Bus-Terminal rennen… und stürzte. Im linken Sprunggelenk waren zwei Bänder durchgerissen und zwei Sehnen gespalten. Die World Games waren kein Thema mehr; erst nach vier Monaten stieg Pitt motiviert wieder ins Training ein.
Doch dann bemerkten er und Tiara gemeinsam, dass eine zufriedenstellende Jahresplanung schier unmöglich sei – frustierend, wer hohe sportliche Ziele hat, davon aber nicht leben kann. Tiara ist Jus-Studentin an der Uni Zürich, Pitt arbeitet bei einem international tätigen Schweizer Hörgeräte-Hersteller, wo er oftmals sehr kurzfristig ins Ausland «abkommandiert» wird. Trainings, Camps, Turniere mit dem verantwortungsvollen Job, einem Studium zu kombinieren, wurde zur Quadratur des Kreises. Zudem wollten die Wibawa-Geschwister in diesem Sommer auch ihren Vater in Bali besuchen. «Die Familie ist uns wichtig», lassen sie verlauten. Und so sind sie in diesen Tagen – aufgrund ihres Rücktritts – nach zweieinhalb Jahren erstmals wieder bei ihrem Vater in den Ferien und lassen sich dessen Heimat zeigen.
Pitt-Alexander Wibawa
Tiara-Sophia Wibawa
Die Geschwister wollen weiterhin täglich miteinander tanzen, die Freude am Tanzen wird immer bleiben. Wettkämpfe schliessen sie aber ebenso aus, wie ein Partnerwechsel. Vor ihrer gemeinsamen Karriere, die sie im April 2015 gestartet hatten, waren beide mit je zwei ausländischen Partnern unterwegs. Pitt mit einer Kasachin und einer Slovakin, die junge Tiara mit zwei Dänen. «Nein – wir werden auch in Zukunft nur zusammen tanzen», blicken sie voraus, «und würden unsere Leidenschaft künftig gerne punktuell in Shows ausleben.»
Der Schweizer Tanzsport verliert mit Wibawa/Wibawa ein äusserst beliebtes und kompetitives Latein-Paar. Für jüngere Tanzpaare werden sie auch weiterhin ein Vorbild sein.